Montag, 26. April 2010

Aller guten Dinge sind drei

Morgen schliesst sich das dritte Jahr dieses Blogs. Wegen privat und beruflich leicht erhöhter Belastung hat der rituelle Frühjahrsputz noch nicht stattgefunden. Die Gelegenheit zu ein paar Reflexionen über das Bloggen an sich will ich mir jedoch nicht entgehen lassen. Vor vier Monaten habe ich an dieser Stelle stolz auf die letztjährige Blogkadenz verwiesen und mir vorgenommen, Ähnliches dieses Jahr wieder zu erreichen. Seither habe ich mir hie und da Gedanken gemacht zum Verhältnis von Müssen und Wollen. Die Balance ist delikat. Das hier ist ja ein Hobby und soll deshalb in erster Linie Spass machen. Gleichzeitig ist eine gewisse Disziplin erforderlich und sinnvoll, ansonsten ich im Zweifelsfall immer eher auf dem Sofa rumliegen als an der Tastatur sitzen würde. Zudem soll das Bloggen auch ein stetes Training für konzentriertes Schreiben sein. In den letzten Wochen hat sich bei mir aber eine gewisse Gefahr bemerkbar gemacht, nur noch um der Artikelzahl willen zu bloggen, keinen Anlass ungebloggt zu lassen und auch bei akutem Inspirationsmangel stur an einem Artikel dranzubleiben. Die Folge: gelegentlicher Frust und ab und zu die Veröffentlichung von Posts, die ein kritischer Lektor unbedingt hätte zurückhalten müssen.

In meinem Feedreader habe ich einen Ordner namens „Lektüre“. Dort sind einige Blogs versammelt, die (selten mehr als einmal pro Woche) ausführliche, gut recherchierte und packend formulierte Artikel publizieren. Den Ordner öffne ich jeweils in ruhigen Momenten, um mir ein kleines Lesevergnügen zu gönnen. Bei anderen Leserinnen und Lesern in einem solchen Ordner zu landen: Das ist das eigentliche Ziel dieses Blogs hier. Ich schreibs mir hinter die Ohren: Wenn ich mir mit Phemios Aoidos etwas Druck aufbauen will, dann soll sich dieser nicht auf die Anzahl der Publikationen, sondern auf deren Inhalt beziehen.

Dienstag, 20. April 2010

Tanz auf dem hohen Seil

Die WOZ hat in ihrer Besprechung (online nicht frei zugänglich) des 24. Internationalen Filmfestivals Freiburg FIFF ihr resigniertes Erstaunen darüber festgehalten, dass es von den dutzenden hochstehenden Filmen, die in dieser Woche gezeigt wurden, kaum je einer regulär in ein schweizerisches Kino schafft. Wir werden jahraus, jahrein mit Dutzendware vom Fliessband abgespiesen; die Perlen scheinen nicht für mehrheitsfähig gehalten zu werden. Nun bin ich, obwohl ich bald neun Jahre meines Lebens in Freiburg verbracht habe, nicht wirklich ein Festival-Aficionado; kann also hier nicht vollmundig ins Lamento einstimmen. Aber immerhin pflege ich seit drei Jahren mit meiner guten Freundin S. zusammen das Ritual eines Festival-Abends mit einem Abendessen in einem fremdländischen Restaurant und einem Film aus dem reichen Angebot des FIFF. Und der Film, den wir dieses Jahr (mehr oder weniger zufällig) ausgewählt hatten, bestätigt die Klage der WOZ. Es handelte sich um den koreanischen Film The King and the Clown (Wang-ui Namja), der im Rahmen der Retrospektive Les rois maudits de Corée (Der Fluch der koreanischen Könige) gezeigt wurde. Das koreanische Kino, so entnahmen wir dem Festivalprogramm, hat eine charakteristische Vorliebe für Königsdramen, für epische Stoffe aus der Geschichte des Landes, für Kostümfilme um Hybris und Fall der Mächtigen. Hauptperson in The King and the Clown ist der schillernde Yonsan, der als brutalster König Koreas gilt. Sein Gegenpart ist eine Truppe von Gauklern und Artisten, die sich um den charismatischen Jangsaeng und den jungen, androgynen Gonggil schart. Ihr respektloses Spektakel über den König und seine Konkubine auf den Strassen der Hauptstadt bringt sie zunächst ins Gefängnis, dann an den Königshof, wo sie mit Schiss in den Hosen vor dem Herrscher auftreten – und dieser sich wider Erwarten köstlich amüsiert. Jangsaeng und seine Truppe werden zu Hofgauklern ernannt. In dieser bis ins letzte Detail kodifizierten und geregelten Umgebung bringen die mächtigen, widerstrebenden Kräfte zwischen den Artisten vom Land, dem wankelmütigen König und der gleichsam byzantinischen Hofbeamtenschaft das Drama in Gang.

Dass ich diesen Film als Perle bezeichne und bei weitem höher schätze als die gängige Kinokost, liegt am Reichtum seiner Geschichten, an der Vielzahl der Zugänge, die er anbietet. Das Artistenleben als Hochseilakt, die Masken, die an- und abgelegt werden – das sind nur die offensichtlichsten Interpretationsansätze. Komplexer ist das kaum durchschaubare Machtgefüge am Hof, ein empfindliches Gleichgewicht des Schreckens: Der Herrscher ist ein absolutistischer, ein Wort von ihm kann Karrieren und Leben beenden; und dennoch ist er eingeschnürt in ein Hofzeremoniell, üben seine Minister, obwohl sie im Staub vor ihm kriechen müssen, auf subtile Weise eine grosse Macht aus. Die Spiele der Gaukler bringen zunächst vor allem dem König ein willkommenes Ventil und schaffen ihm einen persönlichen Freiraum. Gleichzeitig wird aber die von zärtlicher Zuneigung geprägte Beziehung zwischen Jangsaeng und Gonggil in das feine Netz der Hofintrigen eingespannt, als das Interesse des Königs am jungen Artisten immer deutlicher wird. Die Spannungen werden fast körperlich spürbar, bis sie sich in einer Serie brutaler Akte entladen.

Und damit habe ich noch gar nichts gesagt über den Dekor: über die strengen, seltsamen Kostüme, die Möbel, Räume und Gegenstände am königlichen Hof, die ich nur in ästhetischen Kategorien wahrnehmen kann, deren Bedeutung sich mir aber verbirgt. Mir fehlen die historischen und kulturellen Kenntnisse, um weitere Bedeutungsebenen aufschliessen zu können. Das ist schade – und gleichzeitig beeindruckt mich, dass der Film auch ohne diese Kenntnisse funktioniert.


Technisches: Wang-ui namja (2005) von Jun-ik Lee ist der bis anhin kommerziell zweiterfolgreichste koreanische Film. Trotzdem scheint er bei uns schwierig zu erhalten sein. Immerhin hilft amazon.com weiter.

[UPDATE: Auch das FIFF hat leider noch nicht entdeckt, dass Beständigkeit in der Link-Struktur das wichtigste Gut einer Website ist...]

Donnerstag, 15. April 2010

Perikleische Baukunst

Den Schwung aus der Lektüre von Heiner Knells Grundzügen der griechischen Architektur habe ich ausgenützt, um gewissermassen als Dessert des gleichen Autors kurze Studie zur Perikleischen Baukunst anzuhängen. Knell hat sich in seinem reichen Gelehrtenleben einen besonderen Namen gemacht durch die Erforschung der politischen, religiösen und ideologischen Implikationen von Architektur und Bauschmuck. Die Untersuchung zum Bauprogramm des Perikles, erschienen 1979, war das erste eigenständige Ergebnis dieses spezifischen Interesses – und eines der ersten Unternehmen überhaupt, das diese für die römische Kunst seit langem etablierte Analyse in der klassischen griechischen Kunst zur Anwendung brachte.

Das mag erstaunen. Denn wenn auch die Glanzzeit des Perikleischen Athens in der Mitte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts mit der Blüte von Staatswesen, Kunst und Wissenschaften uns Heutigen nur allzu leicht als ideal in sich ruhende Epoche (als Klassik eben) erscheint, so ist doch sattsam bekannt, dass Politik und Leben in der Polis Athen in dieser Periode durch heftige Grundlagendiskussionen und intensive Richtungskämpfe geprägt waren. Unvorstellbar deshalb, dass sich diese Kämpfe nicht in irgendeiner Form in den Bauwerken der Athener Akropolis niedergeschlagen hätten, des eigentlichen Sinnbildes dieser Glanzzeit, deren Neugestaltung eine Herzensangelegenheit des Perikles war! Der methodische Ansatz leuchtet also unmittelbar ein, Architektur und Bauschmuck vor allem des Parthenons auf ihre Funktion in der politischen Propaganda hin zu untersuchen.

Knell gibt zunächst einen kurzen, ausführlich durch antike Quellen belegten Überblick über die Auseinandersetzungen zwischen der Partei der Oligarchen und derjenigen der Demokraten, die unter Perikles’ Führung seit etwa 450 v. Chr. (seit dem Tod seines hauptsächlichen Gegenspielers Kimon) den Ton angab. Er fasst das politische Programm des Perikles in vier zentralen Punkten zusammen: die Sicherung der Grenzen und Einflussgebiete Athens, die Ausweitung der attischen Einflusssphäre besonders durch den Ausbau des attisch-delischen Seebundes, damit verbunden die Stärkung von Athens Führungsrolle in Griechenland mittels panhellenischer Aktivitäten und zuletzt der konsequente Ausbau der Demokratie im Stadtstaat Athen. Den Parthenon nun bestimmte Perikles zum vielschichtigen Träger dieser Botschaft. Die Analyse seines Bauschmucks zeigt auf, wie dicht dieses politische Programm in den mythologischen und geschichtlichen Darstellungen der Giebelfelder, der Metopen und des Frieses abgebildet ist. Zudem werden seine entscheidenden Elemente im Schmuck der Goldelfenbeinstatue der Athena Parthenos wiederholt. Knell weist auch darauf hin, dass Perikles in diesem neuen oder zumindest deutlich aufgewerteten Kult ein ideales Vehikel für seine neue Auffassung von Politik und Rolle Athens gefunden hat. Es ist gewiss kein Zufall, dass der Parthenon der erste griechische Tempel ist, bei dem der Innenraum mit seinem atemberaubenden Götterbild eine solch zentrale Rolle spielte. Um diesem die gewünschten Dimensionen zu geben, war ja auch der schmale Grundriss des Vorgängerbaus um zwei Säulen verbreitert worden.

Diesen Vorparthenon, den die oligarchische Partei begonnen hatte und dessen Mauern und Säulen bereits bis zu einer gewissen Höhe standen, liess Perikles abtragen, um Platz für seinen Tempelbau zu schaffen – ein erster deutlicher Hinweis auf die harten Bandagen, mit denen die politischen Auseinandersetzungen ausgetragen wurden. Gleichzeitig dokumentiert die Tatsache, dass er sich gezwungen sah, die bereits gefertigten Bauglieder wiederzuverwenden (mit allen Einschränkungen für die architektonische Gestaltung seines „eigenen“ Parthenons), den scharfen Wind, der ihm entgegenblies. Dieser lässt sich auch an den anderen Bauwerken der Akropolis ablesen: Das Erechtheion, welches diverse uralte Kultmale miteinander verbindet, und der Tempel der Athena Nike werden der oligarchischen Partei zugeschrieben, die ihren Bau und ihre Ausgestaltung gegen Perikles durchsetzen konnte. Der Niketempel steht dem von Perikles verantworteten grossartigen Torbau der Propyläen dabei richtiggehend im Weg; ihr Architekt Mnesikles musste den stark beschnittenen Südflügel in ingeniöser Art richtiggehend in den verbleibenden Platz quetschen. So sind die klassischen Monumente der Akropolis gleichsam steingewordene Zeugnisse einer heftigen politischen Auseinandersetzung und zeigen auf, dass der revolutionäre Vorgang der Erfindung der Demokratie zu keiner Zeit gesichert und reibungslos ablief, sondern den Vertretern der herkömmlichen Ordnung in scharfem Kampf abgerungen werden musste.

Die ausführliche Darstellung der Akropolis ergänzt Knell mit einem Überblick über die weiteren attischen Bauwerke, die von Perikles verantwortet wurden oder zumindest in seiner Zeit und ihrem Geist entstanden. Hier steht weniger die ideologische Aussage im Vordergrund als vielmehr der Versuch, ein Gesamtbild einer aussergewöhnlich reichen und künstlerisch fruchtbaren Epoche zu zeichnen. So bietet dieses schmale Buch einen sehr konzentrierten, informativen und lesenswerten Überblick. Wenn ich ihm einen Vorwurf machen möchte, müsste ich auf Formalien ausweichen und den Anmerkungsapparat erwähnen. Dieser ist sehr reichhaltig, enthält ausführliche zeitgenössische Belege und wichtige Teile der Diskussion. Nur war es leider offenbar nicht möglich, die Anmerkungen als Fussnoten zu setzen. Der geneigte Leser ist deshalb zum häufigen Blättern an den Schluss des Buches gezwungen – und ich habe gemerkt, dass ich das nicht mehr gewohnt bin und es deshalb etwas mühsam fand. Das hat schon seine Richtigkeit: Mühelos ist nichts zu erreichen, und in Anbetracht des Resultats, der Erkenntnisse aus dem Buch, ist die Seitenwendefrequenz ein durchaus vernachlässigbarer Aufwand.


Technisches: Heiner Knell, Perikleische Baukunst. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1979. ISBN 3-534-08019-X. Das Buch ist zurzeit nur antiquarisch oder bibliothekarisch erhältlich.

Montag, 5. April 2010

Apologia Latina

Man sollte auf Alleinreisen immer ein Reclamheftchen in der Manteltasche haben. So oft ist man irgendwo zu früh, wartet auf einen Zug, einen Bus oder gar einen Flieger – und dann die Zeitung aus dem Koffer grübeln und entfalten zu müssen, ist mehrheitlich unpraktisch. Oder man gönnt sich eine Pause bei Kaffee und Kuchen und möchte dazu nicht ewig den Reiseführer studieren, sondern etwas Gehaltvolleres geniessen. Ich habe diesen Rat neulich bei einer geschäftlichen Reise zwar missachtet, aber glücklicherweise gibt es in den Universitätsvierteln deutschsprachiger Städte an fast jeder Hausecke die Möglichkeit, sich entsprechend einzudecken. So bin ich auf Warum Latein? gestossen, eines der dünnsten Reclamheftchen überhaupt. Darin anerbietet sich der Altsprachen-Didaktiker Friedrich Maier, insbesondere Eltern von Schülern im entsprechenden Alter eine kurze Einführung in das Lateinische als Gymnasialfach sowie zehn gute Gründe für dessen Wahl darzulegen, womit er im Deutschland der Gegenwart auf ein grosses Bedürfnis antwortet.

Nun habe ich ja ein etwas ambivalentes Verhältnis zu derartigen apologetischen Ansätzen. Ich verstehe, dass sich die Bedeutung der alten Sprachen als Schulfächer in der heutigen Zeit nicht unbedingt von selbst erschliesst, dass also Aufklärung und Werbung notwendig sind; aber gleichzeitig laufen solche Argumentationen immer die Gefahr, in jenen simplen Utilitarismus abzurutschen, für den einzig gut ist, was beruflichen und damit finanziellen Nutzen verspricht. (Je nach Partei werden dann junge, neugierige Menschen in der Diskussion nur allzu schnell zu Steuersubstrat.) Ich will diesen Aspekt nicht wegdiskutieren, finde aber, dass die wichtigste Aufgabe der Schule – und erst recht eines „Luxusangebots“ wie des Gymnasiums – die Menschenbildung ist; das heisst, den Schülerinnen und Schülern ein breites Wissensfundament und zugleich Denk- und Arbeitsweisen zu vermitteln, die sie befähigen, in einer komplexen Welt ihren Platz als Individuen, als Staatsbürger, als Verantwortungsträger, eben als Menschen zu finden.

Doch nun genug der grossen Worte und zurück zu Maiers Buch. Meine längliche Einleitung soll nicht verdecken, dass es mir sehr gefallen hat. Unter Maiers zehn guten Gründen sind kaum überraschend solche, die man auch schon gehört hat: dass die Beschäftigung mit einer in Syntax und Grammatik sehr systematischen Sprache das Sprachverständnis, auch das der Muttersprache, ganz wesentlich fördert; oder dass das Lateinische eine Brücke schlägt zu vielen der in Europa wichtigsten modernen Fremdsprachen. Daneben finden sich andere, weniger offensichtliche Gründe: Die Beschäftigung mit der lateinischen Rhetorik, also der Manipulation der Sprache zur Manipulation des Publikums, lehrt die grundlegende Kulturtechnik des Hinterfragens von veröffentlichten Meinungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Oder: Das Lateinlernen stärkt nicht nur das grundlegende Sprachverständnis, sondern gibt darüber hinaus Zugang zu einem Reservoir an Sprachbildern und Metaphern, mithin zu einer reicheren, einprägsameren Ausdrucksweise. Und in einem zusammenwachsenden Europa ist die Rückbesinnung auf die erste Sprache, die Europa zu weiten Teilen kulturell geeinigt hatte, von grossem Sinn. (Nebenbei sei angemerkt, dass Maiers Eloquenz und Prägnanz selber sehr sprechende Argumente für den Nutzen und die Wirkung von Latein sind.)

Wer so argumentiert, setzt sich jedoch einer speziellen Kritik aus: Währenddem jeder einzelne dieser Gründe inhaltlich unbestritten ist, muss sich der Autor fragen lassen, ob denn diese Ziele ausschliesslich durch das (ebenso unbestritten) anstrengende und langwierige Lateinlernen erreichen werden können – oder anders gefragt: ob es nicht andere, weniger aufwendige Wege dazu gäbe; oder meinetwegen gleich aufwendige, aber effizientere. Als alter Grieche kann ich mir beispielsweise die Bemerkung nicht verkneifen, dass man Maiers Gründe fast alle meist mit weit grösserer Berechtigung auch für das Griechische vorbringen könnte. Die Ursprünge der Philosophie, des Theaters, der Naturwissenschaften und der Geschichtsschreibung lagen bekanntlich in Griechenland, und so epochal etwa Ciceros Übersetzung der Philosophie und ihrer Terminologie ins Lateinische war, so befruchtend ist es, zur wirklichen Quelle vorzudringen. Oder was sich über den Nutzen des Lernens einer toten Sprache für das Sprachverständnis sagen lässt, gilt natürlich ebenso für die andere klassische Sprache. Die Kritik ist aber auch von der anderen Seite her vorstellbar: Wäre nicht etwa ein Rhetorikkurs eine effizientere Methode, sich im genauen Analysieren und Hinterfragen zu üben? Was ich damit sagen will: Hauptgrund für das Lateinlernen muss das Lateinische selber sein – die Eleganz der Sprache, der Reichtum der Literatur (und damit der Kultur), den sie erschliesst. Erst daran anschliessend kann und soll mit Maier argumentiert werden, dass Latein wie kein anderes Unterrichtsfach quasi als Bonus eine Fülle an weiteren, über den primären Lerninhalt weit hinausgehenden Kompetenzen vermittelt.

Diese Einsicht ist wohl beim Zielpublikum von Maiers Buch bereits ansatzweise vorhanden: Wer den Sinn und die Bedeutung des Lateinischen nicht im geringsten begreift, wird sich kaum die Mühe machen, ein solches Argumentarium zu lesen. Diesem Publikum klar und verständlich aufzuzeigen, welchen Reichtum an Wissen und Kompetenzen das Lateinlernen neben dem Sprachlernen gleichsam en passant mitliefert, scheint mir das Hauptziel und das Hauptverdienst dieser engagierten Streitschrift.


Technisches: Friedrich Maier, Warum Latein? Zehn gute Gründe. Stuttgart, Reclam 2008. ISBN 978-3-15-018565-0.

[UPDATE: Link zu Maiers Homepage bei der HU angepasst.]