Samstag, 13. Februar 2010

Die Räuber

Ein schöner Zufall wollte es, dass Schillers Räuber wenige Monate, nachdem ich das Stück gelesen hatte, in Fribourg gezeigt wurden: von den Theatergastspielen Kempf im Rahmen von „Theater in Freiburg“. Ich war gespannt. Nach der Lektüre war mir alles andere als klar, wie dieses dichte, reiche Stück überhaupt spielbar sei. Regisseur Christoph Brück schaffte dies zunächst, indem er grosszügig strich, vor allem in den philosophischen Passagen. Ohne Hemmungen griff er auch in Schillers Sprache ein, glättete Widerspenstiges da und dort, fasste zusammen und formulierte um. Er nahm einen gewissen Verzicht auf Tiefe und Vielschichtigkeit in Kauf, um seine Figuren klarer, vielleicht auch klischierter zu gestalten. Das galt vor allem für Franz von Moor, dessen hinterhältige Schlechtigkeit einen komisch übersteigerten und so demaskierenden Zug gewann. Das galt für die in ihrem Liebesleid versinkende Amalia (was die Aufgabe für ihre Darstellerin Kerstin Dietrich noch undankbarer machte); das galt für den wilden Haufen der rauen Räuber. Bestechend klar erschien aber die Ambivalenz, das zerrissene Herz des Räuberhauptmanns Karl von Moor, von Julian Weigend intensiv dargestellt, ja gelebt. Karl ist ein moderner Held, von Widersprüchen geprägt und zugleich von feuriger Überzeugung. Er rückte damit entschieden ins Zentrum des Trauerspiels, welches zu seiner persönlichen Tragödie wurde. Er war es auch, der gegen Ende, in der ergreifenden Szene mit seinem totgeglaubten Vater, den Satz aussprach, der mich absolut umgehauen hat, der präzise die Essenz des Werkes formuliert: „Heute hat eine unsichtbare Macht unser Handwerk geadelt – (und jetzt wieder Brück) aber wir sind dennoch verloren.“ Karl von Moor, der in extremem Anspruch an sich selbst grösstmögliche Reinheit anstrebt, sucht das richtige Leben im falschen. Seine Tragik tritt in dem Moment offen zu Tage, in dem ihm dies bewusst wird. Die eigentliche Klimax ganz am Schluss des Stücks, die den tragischen Konflikt ausdekliniert und in der Kempfer Version ein noch illusionsloseres Ende findet, als es Schiller vorgesehen hatte; diese Klimax ist dann eigentlich nur noch Zubrot.


Technisches: Die Theatergastspiele Kempf touren mit den Räubern noch bis am 20. März und dann wieder nächstes Jahr durch die deutschsprachigen Lande. Zum Nachlesen und Vergleichen empfehlen sich wie immer Reclam oder Gutenberg.

[UPDATE: Einige Links gehen unwiderruflich ins Leere und wurden entfernt, derjenige zu Gutenberg repariert.]

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen