Glückliche Freiheit des Autors, des Regisseurs: Nicht nur können sie Figuren und Geschichten erfinden; wenn sie Lust haben, denken sie sich etwas aus, dass es gar nicht geben kann, und schauen dann, was passiert. So geschehen im letztjährigen Erfolgsfilm The Curious Case of Benjamin Button von David Fincher (den wir wegen Kinophlegma eben erst auf dem Bildschirm gesehen haben). Die Idee stammt von F. Scott Fitzgerald: Der Protagonist wird als alter Mann geboren, mit Falten und sterbensmüden Knochen, und während alle anderen altern, wird er jünger. Die Geschichte ist zunächst ein Vorwand dafür, verschiedene schöne Frauen, kantige Kerle und witzige Alte zu zeigen, zudem den überbordenden Südstaatendekor der Zwanziger Jahre und die Fortschrittsinfrastruktur der Nachkriegszeit. Aber es steckt mehr dahinter: Benjamins Rückwärts-Leben spiegelt sich im Vorwärts-Leben von Daisy, seiner stetigen Begleiterin von den Kinderspieltagen bis zum Grab. Und währenddem die gegenseitige Anziehung und Zuneigung die ganze Zeit spürbar ist, verbringen sie nur ein gutes Jahrzehnt als ein Liebespaar miteinander – die Zeit, in der Benjamins körperliches Alter seinen Lebensjahren entspricht. Es ist atemberaubend zu sehen, wie Brad Pitt die umgekehrt alternde Hauptfigur verkörpert: Da ist ein (in seiner Merkwürdigkeit) charmanter, zuvorkommender Mann, der jedoch immer ganz leicht neben den Schuhen zu stehen scheint. Als sich aber die Alterslinien seines Körpers und seiner Jahre annähern, da fällt alle Anspannung, alle Unsicherheit von ihm ab. Jetzt ist er bei sich selbst angekommen, und Pitt füllt diese schlafwandlerische Gelassenheit, dieses Mit-sich-im-Reinen-Sein, mit einer Selbstverständlichkeit ohnegleichen aus. Dann entfernt er sich wieder von diesem Schwebezustand und wird erneut zum Fremden im eigenen, immer jünger, immer kindlicher werdenden Körper.
Die beiden Rahmenhandlungen – Daisys Gespräch mit ihrer Tochter auf dem Totenbett und die Geschichte des blinden Uhrmachers Mr. Gateau, der für den Bahnhof von New Orleans eine rückwärtsgehende Uhr konstruiert – unterstreichen, worum es geht: um die Unausweichlichkeit des Alters, um die Brutalität des Alterns und Vergehens, aber auch um die Wichtigkeit, mit seinem Alter im Reinen zu sein. Mit seinen grossartigen Darstellerinnen und Darstellern (neben Pitt allen voran Cate Blanchett als Daisy und Taraji P. Henson als Benjamins Pflegemutter Queenie) ist dieser bemerkenswerte Film eine inspirierte und beflügelnde Parabel des Lebens.
Technisches: The Curious Life of Benjamin Button ist – wie es sich gehört – in allen Varianten und Formen von silbernen Scheiben erhältlich.
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