Welch schöne Geschichte: Zu ihrem 40. Geburtstag erhält eine businesswoman einen Brief, ja eine ganze Serie von Briefen und Paketen – von sich selbst. Als sie sieben Jahre alt war, hatte sie die bedeutungsvolle Geburtstagspost geschrieben und dem Notar des Dorfes anvertraut, der sie nun pflichtbewusst und termingerecht ihrem erwachsenen Selbst überbringt. Dieses reagiert zunächst gelangweilt, dann unwirsch, dann richtig genervt, kann sich aber schliesslich der Magie der kindlichen Worte und Schätze nicht entziehen und lässt sich nach und nach auf ein Wiedersehen mit ihren eigenen, längst vergessenen Gedanken, Wünschen, Sorgen und Schulden ein.
Soweit die Fabel von L’âge de raison, des neuen Filmes mit Sophie Marceau. Doch die schöne Idee ist das eine, ihre filmische Umsetzung das andere – und da wird ihr in einem Wust von Klischees und Vorhersehbarem jegliches Leben, alle Spritzigkeit ausgesaugt, bis sie in einem ziemlich konventionellen, blutleeren Film endet. Das beginnt mit der Hauptperson, der Karrieristin Marguerite/Margaret, die wie ihr Vorname zwischen Französisch und Englisch changiert, in Limousine und Flieger von Glaspalast zu Luxushotel hetzt, nach oben Décolleté zeigt und nach unten Stilettos. Da ist als grösstmöglicher Kontrast das Dorf ihrer Kindheit, in dem zwischen ockerfarbigen Mauern die Zeit stillgestanden ist, wo die Alten auf dem staubigen Platz vor der mairie Pétanque spielen und der Notar den nächsten Wurf für wichtiger hält als sein klingelndes Handy. Da sind all die anderen Versatzstücke ihrer Reise zu sich selbst wie die Wiederbegegnung mit dem Schulschatz oder die Konfrontation mit dem in der Sozialsiedlung hängengebliebenen Bruder. Und auch das Ziel dieser Reise ist (von einer neckischen Anspielung an die überbordende Fantasie der Siebenjährigen abgesehen) schlichtweg unglaublich konventionell.
Schade – hier wurde die Chance vertan, mit einem etwas sorgfältigeren Drehbuch aus einer schönen Idee einen schönen Film zu machen. Was möglich gewesen wäre, deuten Ausstatter und Titeldesigner an: Die Fotos, Texte, Schnipsel und Kostbarkeiten der Kinderwelt, die Margaret und uns aus den Umschlägen und Paketen von Marguerite entgegenfallen, sprühen vor kindlicher Kreativität und noch durch kein Räsonnieren begrenzter Fantasie. Fast bin ich in meinem Kinosessel ein wenig wehmütig geworden, dass ich als Kind diese hervorragende Idee nicht hatte und deshalb selber nie einen solchen Brief erhalten werde.
Technisches: L’âge de raison ist vor kurzem in den Westschweizer Kinos angelaufen; ob der Film auch den Röstigraben überwinden wird, ist wie immer unsicher. In Ermangelung einer wirklich guten Film-Website verlinke ich auf den (überraschend überzeugenden) Trailer.
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