Ich wiederhole mich, ich weiss – aber ich wiederhole mich gerne: Der Festivalsommer ist etwas vom Faszinierendsten in Fribourg, und er trägt (zusammen mit der Uni und der Zweisprachigkeit) entscheidend dazu bei, dass sich diese Kleinstadt so viel grösser und weiter anfühlt. Zur Dreifaltigkeit Belluard – JazzParade – Rencontres Folkloriques gesellt sich alle zwei Jahre das Festival für geistliche Musik, und die vielen Quartierfeste führen ohnehin dazu, dass da und dort regelmässig Biertische und vietnamesische Essensstände auf den Strassen stehen. Und so geschieht beispielsweise folgendes: In einer Viertelstunde zu Fuss bin ich auf der Place Python, dem Epizentrum der JazzParade, zahle symbolische fünf Franken Eintritt… und höre die grossartigen New York Voices! Und nicht nur das: Nach dem Konzert kaufe ich am Tisch vorne bei der Bühne als Andenken eine CD, kann ohne Aufhebens das Backstage-Zelt betreten, mit Kim Nazarian, Lauren Kinhan, Darmon Meader und Peter Eldrige bei einem Becher Bier ein paar Worte wechseln und meine CD signieren lassen. Die vier haben sich offensichtlich bestens amüsiert in Fribourg, und das war nicht das erste Mal: Vor fünf Jahren seien sie schon an der JazzParade gewesen, erzählen sie, und sie freuten sich wahnsinnig über die erneute Einladung. Und sie rühmen ihre Begleitung, das Fribourg Jazz Orchestra, auf das die Stadt stolz sein könne. Keine leeren Worte: Die Chemie stimmt auf der Bühne; da ist eine enorme Spielfreude spürbar und trotz der hochpräzisen Interpretation eine grosse Lockerheit.
Zur Musik kann ich weniger sagen. Ich höre selten Jazz, weil ich zu ihm nicht wirklich einen emotionalen Zugang habe. Bei den New York Voices fasziniert mich zunächst das Technische, ihre absolute Meisterschaft – gerade weil ich weiss, wie unglaublich schwierig diese Musik zu singen ist. (Wir hatten uns mal an A Nightingale sang on Berkeley Square versucht und nach kurzer Zeit entmutigt die Waffen gestreckt…) Aber dann gibt es auch diese magischen, meist leiseren Momente, wo unerwartet eine nie gehörte Harmonie aufleuchtet wie die Sonne nach dunklen Wolken und mit ihrer Schönheit meinen Atem stocken lässt.
Tags darauf war ich kurz entschlossen gleich nochmals auf der Place Python. Es war jenes einzige Mal im Jahr, wo man in Fribourg Wildfremde auf Deutsch ansprechen kann: der traditionelle Mundart-Rock-Abend der JazzParade. Zu Gast war dieses Mal Stiller Has, das Naturereignis des Schweizer Rock. Ich kenne keinen anderen Sänger, der von der ersten Sekunde an eine solche raumfüllende (was sage ich: platzfüllende) Präsenz ausstrahlt wie Endo Anaconda. Die neu formierte Band mit Salome Buser an Bass und Tasten und Markus Fürst am Schlagzeug neben dem altgedienten Meistergitarristen Schifer Schafer umhüllt ihn mit einem satteren, intensiveren Sound. Die wenigsten Songs kenne ich; gespielt wird in erster Linie die (nicht mehr ganz) neue CD, die damit bestens beworben wird: Keine Schwächen oder Durchhänger, alles überzeugt. Die alten Songs, so erklärt Endo übrigens, würden sie grundsätzlich gerne noch spielen, sie können sie einfach noch nicht… Für ein paar Hits hats dann zur Zugabe doch noch gereicht, bevor das begeisterte Publikum langsam die dicht vollgepackte Place Python zu verlassen beginnt.
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