Mittwoch, 7. Juli 2010

Für immer und ewig

Ich fürchte, ich bin dem Bern:Ballett diese Saison mit meinen zwei kurzen Artikeln noch nicht richtig gerecht geworden. Gelegenheit zum Ausgleich bietet glücklicherweise der letzte Ballettabend, Auf immer und ewig, ein so unterhaltsames wie hochstehendes Spektakel, das wir uns vor einem Monat auf der Bühne von Vidmar:1 zu Gemüte geführt haben. An erster Stelle zu nennen und zu loben ist wiederum die Vielseitigkeit des Ensembles, welches zwei ganz unterschiedliche Stücke mit grosser physischer und akrobatischer Präsenz zum Leben erweckte. Cathy Marston eröffnete den Abend mit CLARA, ihrer Interpretation der Dreiecksbeziehung zwischen Clara Schumann, ihrem Mann Robert und Johannes Brahms. Unglückliche oder schwierige Liebeskonstellationen sind offensichtlich ein Lieblingsthema der englischen Ballettdirektorin von Bern. Entsprechend haben wir einen guten Teil des Bewegungsrepertoires, viele der Varianten des Aufeinander-Zustrebens und Sich-voneinander-Wegreissens auch schon gesehen. Speziell waren zwei Dinge; zunächst die Musik, die von den ProtagonistInnen selber stammte und von der Pianistin Sonja Lohmiller und dem Bariton Benoît Capt live dargeboten wurden. (Dem musikologisch Bewanderten hätte das Zusammenspiel von Musik und Tanz gewiss eine ganze Menge zusätzlicher Interpretationsansätze geboten.) Sehr überzeugend dann vor allem der Rest des Ensembles: In neutralen, grauen Kleidern dienen sie als Statisten, als Staffage gleichsam, als Hintergrund für die fast kämpferische Konfrontation von Clara, Robert und Johannes. So rollen sie einmal mit ihren Körpern parallele Spannteppichbahnen über die Bühne, spielen gekonnt mit der Uniformität des Lebens wie auch mit dem Aneinander-Vorbei-Leben; und in einer der stärksten Szenen werden sie zur Wand, zur Mauer zwischen den Liebenden, die offen und durchbrochen erschien, aber dennoch kaum zu überwinden war.

Ganz anders dann das zweite Stück des Abends, Howl von Andrea Miller. Temporeich, athletisch und artistisch entfalten sich seine Szenen. Zentral ist das anspielungsreiche Spiel mit den Kostümen: Das gesamte Ensemble erschien durchgehend in hellbeigen Overalls und ebensolchen antiken Badekappen und kann so gewandet genauso gut ein locker-verspieltes Vaudeville darstellen (mit vokaler Beteiligung der Tänzerinnen und Tänzer) wie eine bedrückende Irrenanstalts-Atmosphäre voller schmerzhafter Verrenkungen und brutaler Kämpfe.

Ein besonderes, überraschendes Zückerchen gab es nach der Pause zwischen den beiden Stücken. Da bevölkerte sich die Bühne mit Dutzenden von Tänzerinnen und (wenigen) Tänzern des tanzpädagogischen Projekts Dogs in a Park: Ein kurzes, intensives Spektakel, geprägt von Massenszenen und originellen Einzelakzenten, vom souveränen Auftreten und der Spielfreude seiner Darstellerinnen. Sie haben mit ihrer Arbeit gezeigt, dass Tanz mehr ist als die Hochleistungskunst der Profis; dass auch Amateure die Freude am körperlichen Ausdruck und am Zusammenspiel in grossartige Bilder und Szenen giessen können.


Technisches: Das wahre Leben hat bei mir in den letzten Wochen deutlich die Oberhand behalten gegenüber dem Bloggen. Deswegen hat sich hier etliches verspätet, kommen einige Berichte – darunter dieser hier – nur noch als nostalgische Rückblenden zur Publikation… Und noch ein kurzes mahnendes Wort an den Webmaster des Stadttheaters: Cool URLs don’t change. Ihr Verschieben der vergangenen Saisons an eine neue Archiv-URL ohne funktionierenden Redirect finde ich wenig benutzerfreundlich.

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