Samstag, 22. Dezember 2007

Erdenritt

Der spektakuläre Trailer zu Earth („Unsere Erde – Der Film“) hat mich in Bann geschlagen: Atemberaubende Flüge über gigantische Wasserfälle versprach dieser, Schwärme von Vögeln sonder Zahl, Eisbären, Wale und Elefanten. Der Film hielt die Versprechen. Noch nie, so erfährt man, wurde ein so aufwendiger Naturfilm gedreht. Er basiert auf der BBC-Serie Planet Earth. Fünf Jahre, Millionen von Pfund und Spitzentechnik hatte Regisseur Alastair Fothergill zur Verfügung, und er hat sie gut genutzt. An Dutzenden Tieren ist er hautnah dran; raffinierte Zeitraffer lassen ein Jahr in wenigen Sekunden vorüberziehen, Eis und Meer, Wald und Wüste sind die Schauplätze. Handlungsgerüst ist eine fiktive Reise vom Nord- zum Südpol. Protagonisten sind in erster Linie eine Eisbärenfamilie, eine Elefantenherde und ein Buckelwal mit seinem Jungen, daneben Tausende anderer Tiere. Die Erzählung betont zwei Dinge: das Fressen und Gefressenwerden und den fühlbaren und potentiell verheerenden Einfluss des Klimawandels auf die Tiere des ganzen Planeten. Ersteres verleiht dem Film zeitweise einen leicht penetranten Action-Unterton. Klar sollen wir uns von den schönen Bildern nicht ins Trugbild von einer friedlichen und reinen Natur einlullen lassen; aber dass fast alle Tiere, die wir antreffen, entweder gerade von anderen gejagt werden oder Hungers zu sterben drohen, finde ich etwas starken Tobak. Die Message von der Bedrohung durch den Klimawandel kommt subtiler und nachvollziehbarer herüber: Wir sehen die Eisbären verzweifelt im rasant schmelzenden Packeis rudern, sehen die Elefanten völlig entkräftet durch die Kalahari torkeln, begreifen beim kurzen, aber intensiven Krillschmaus der Buckelwale vor der antarktischen Küste, wie wenig es braucht, um diesen Marathonschwimmern die Lebensgrundlage zu entziehen. Das explizite Nachhaken im Abspann wäre nicht notwendig gewesen – aber gut, so wirds noch unausweichlicher. (Warum dann unbedingt Ford Hauptsponsor sein muss, ist eine andere Frage.)

Die eigentlichen Höhepunkte sind andere: Der Flug über die Angel Falls gehört dazu, der einem das Herz stocken lässt, die unabsehbare Karibu-Herde auf ihrer langen Migration, die riesigen, unglaublich kompakten und beweglichen Fischschwärme, die Jungfernkraniche, die in einem gewaltigen Kraftakt ein winziges Zeitfenster nutzen, um gegen die Fallwinde über den Himalaya zu fliegen. Und dann gibt es ein paar Comedy-Perlen: Der schräge Balztanz des Paradiesvogels natürlich, und vor allem die unglaubliche Flugstunde der Mandarinenten. Ihr Nest liegt hoch auf einem Baum, und sobald die Kleinen den ersten Fuss vor die Tür setzen, sind sie im freien Fall. Unbeeindruckt schlagen sie leicht mit ihren zum Fliegen völlig untauglichen Stummelflügeln, prallen ungebremst auf den weichen Waldboden und springen auf wie von einem Trampolin. Da lachte Gross und Klein im Kinosaal (es war Sonntagnachmittag), und besonders ein kleiner Kinogänger war begeistert. Er hatte eben ein neues Wort gelernt, und das passte wunderbar: „Bébé!“

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