Sonntag, 2. Oktober 2011

La piel que habito

Wer den neuen Almodóvar sehen möchte, sollte einen robusten Magen haben. La piel que habito enthält nicht nur einige Szenen, bei denen man den Kopf wegdrehen möchte, sondern erzählt auch eine Geschichte, die von krankhafter Brutalität geprägt ist; die Geschichte einer Rache. Der plastische Chirurg Robert Ledgard verliert zunächst seine Frau, später auch seine Tochter, als Folge eines einzigen Unglücks, eines Autounfalls. Seine Frau überlebt zwar zunächst schwer verbrannt (auch dank der Künste ihres Mannes), kann aber ihr neues Leben nicht aushalten. Die Tochter wiederum, die die Mutter sterben sah, erholt sich nie mehr von diesem Schock. Robert wird ob dem doppelten Verlust zum Rächer: nicht im Spandex-Anzug über Dächer fliegend, nicht in Vollpanzerung mit Maschinengewehren hantierend, sondern äusserlich gefasst und elegant im Massanzug, mit den Methoden der Chirurgie – reichlich frankensteinischen Methoden freilich, deren Erforschung ihm von sämtlichen Ethikkommissionen selbstredend scharf untersagt worden ist. Antonio Banderas bringt präzise die Mischung zwischen Eleganz und Wahnsinn hin, die Robert charakterisiert: Regungslos das Gesicht, nur ganz selten seine Emotionen durchscheinen lassend, die ansonsten hinter einer Maske der Entschiedenheit verborgen bleiben. Das einzige, was an seinem Handeln nicht planvoll und zielgerichtet ist, ist die Wahl des Opfers seiner Rache. Mangels Alternativen gewissermassen richtet sie sich gegen den einzigen Mitschuldigen an seinem Unglück, dessen er habhaft werden kann.

Ein durchgestylter Dekor ist die Kulisse zu den Wahnsinnstaten, die ich hier nur andeuten kann, um nicht schon zu viel vom verwickelten Plot preiszugeben. Ein grosszügiger Landsitz dient Robert als Privatklinik; die Architektur lebt vom Kontrast zwischen alten Steinen und modernem Design; und besonders bedeutend ist die Rolle der Kunst: Überdimensionierte Gemälde schmücken die Gänge der Villa, währenddem die Gefängniszelle, die trotz ihrer Grösse und Helligkeit nicht angenehmer ist als ein simples Verliess, im Lauf des Films zu einem Monument expressionistischer Kunst umgewandelt wird. Schräge Vögel, wie man sie von Pedro Almodóvar gewohnt ist, gibt es in La piel que habito hingegen kaum. Alles Schrille und Abgründige ist hier mit grosser Konsequenz hinter die Oberfläche, ins Innere der Figuren verlagert.


Technisches: La piel que habito startet am 6. Oktober in den Deutschschweizer Kinos.

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