Während der Diskussion in der Pause von Skyfall fiel es uns auf: Die früheren James-Bond-Filme (und damit
meine ich mit wenigen Ausnahmen alles von Connery bis Brosnan) machten nie so
richtig Angst. Ich weiss schon, dass jede Epoche ihre spezifischen Bedrohungen
hat, und dass das Wedeln mit Atomraketen in den Eingeweiden eines Zuschauers in
den Sechzigern wohl anderes ausgelöst hat, als es bei uns heutigen auslöst – aber
trotzdem: Die Bösewichte, ihre Pläne und ihre Hauptquartiere waren in der Regel
überdreht-irreal, James Bond dachte beim Begriff „Bodycount“ in erster Linie an
weibliche Körper und konzentrierte
sich darüber hinaus hauptsächlich darauf, seinen Sarkasmus möglichst träf an
den Mann zu bringen. Mit zwei knallharten Fäusten und einer Tasche voll Gadgets
die Welt zu retten, war immer eine (lösbare) Nebenaufgabe, zu deren Bewältigung
gelegentlich auch ziemlich clowneske Stunts eingesetzt werden konnten. Kaum
überraschend, dass die Plots eines Grossteils dieser Filme schon fast
schematisch aufgebaut sind, von der actiongeladenen Eröffnungssequenz über
Briefing und Ausstattung durch M und Q, rituelle Kontaktaufnahme mit dem
Bösewicht (oder seiner Freundin) bis zur Gefangennahme und zum Showdown in
einem möglichst spektakulären Ambiente: alles ein überlanger, hochamüsanter Running Gag. Wiedersehen macht Freude,
und darin liegt ein Grund für den Erfolg der Bond-Reihe.
Mit Daniel Craig wurde vieles anders. Nachdem die alte
Formel in Pierce Brosnans letztem Film, Die Another Day, der an seiner eigenen Absurdität fast erstickte, wieder mal
krachend an die Wand gefahren wurde, scheinen sich die Bond-Macher besonnen zu
haben. Der neue Bond sollte mehr als ein Abziehbild sein; er sollte einen
Charakter bekommen, zweifeln und sich irren dürfen – und sich entwickeln, vom
jungen, ungestümen, kantigen Agenten zu einer Persönlichkeit. Das war ein
gewisses Risiko, denn die bedingungslosen Adepten der alten Formel erkennen
ihren Helden in der neuen Version nicht wieder, und zudem ein gewisser Aufwand,
da ein solcher Charakter nicht nach einem Film schon fertig ist. Im dritten
Craig-Bond, Skyfall, scheint das Ziel
erreicht, und zwar auf magistrale Weise. Ich schliesse mich ohne zu zögern jenen
an, die Skyfall zu den besten
Bond-Filmen zählen. Die Geschichte entwickelt sich dunkel und bedrohlich, aber
ohne die gehetzten Übergänge von Quantum of Solace. Javier Bardem ist als Bösewicht Silva intelligent, gnadenlos,
eine Spur lächerlich und auf fast klassische Weise tragisch. Bond agiert nach
einer Auszeit von ein paar Monaten (wegen Todes) in der ganzen ersten Hälfte
des Films verzweifelt an seinen körperlichen Limiten; sowohl er als auch seine
Vorgesetzte M (Dame Judi Dench) sind in diesen Film als Persönlichkeiten mit
einem guten Teil ihrer Lebensgeschichte involviert. Das epische, düstere Finale
im Nebel der schottischen Highlands ist trotz augenzwinkernder Anleihen beim
A-Team eine ernsthafte, apokalyptische Angelegenheit. Missglückt ist einzig die
Erklärung für Silvas um sieben Ecken herumdenkende Attacke: Sich als Polizist zu
verkleiden und in den Raum einzudringen, in dem er seine Rache vollbringen
will, wäre doch auch möglich gewesen, ohne dass er davor Bond um die ganze Welt
herum auf seine Spur gebracht hätte. Und warum man in sämtlichen mir bekannten
Filmen einen Hacker nie vor einer Kommandozeile, sondern immer nur vor
elaborierten grafischen Animationen sieht, soll mir auch mal einer erklären…
Wer in all dem den klassischen Bond zu vermissen befürchtet,
sei beruhigt: Die Actionsequenzen (besonders im Vorspann) sind auf der Höhe der
Kunst, die Bond-Girls, wiewohl reine Nebenfiguren, bleiben atemberaubend, das
Casino von Macao ist absolut splendid, und Bonds sarkastische Kommentare fehlen
nicht, sind einzig eine Spur grimmiger. Höchste Kunst stellen – wie immer seit Casino Royale – die Dialoge dar, schneidende
Wortgefechte im Kammerspiel-Setting. Der rekordverdächtige kommerzielle Erfolg
des Films ist hoffentlich Garant dafür, dass die nächste Ausgabe in ähnlichem
Stil daherkommen wird
Technisches: Skyfall
läuft in gefühlt der Hälfte aller Kinos der Schweiz. Es versteht sich von
selbst, dass nur Banausen die synchronisierte Version anschauen; wo immer ein
anachronistischer Kinobetreiber auf die Originalversion setzt, sollte er mit grossem Zuspruch
entschädigt werden.
Freitag, 16. November 2012
Skyfall
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