Freitag, 16. November 2012

Skyfall

Während der Diskussion in der Pause von Skyfall fiel es uns auf: Die früheren James-Bond-Filme (und damit meine ich mit wenigen Ausnahmen alles von Connery bis Brosnan) machten nie so richtig Angst. Ich weiss schon, dass jede Epoche ihre spezifischen Bedrohungen hat, und dass das Wedeln mit Atomraketen in den Eingeweiden eines Zuschauers in den Sechzigern wohl anderes ausgelöst hat, als es bei uns heutigen auslöst – aber trotzdem: Die Bösewichte, ihre Pläne und ihre Hauptquartiere waren in der Regel überdreht-irreal, James Bond dachte beim Begriff „Bodycount“ in erster Linie an weibliche Körper und konzentrierte sich darüber hinaus hauptsächlich darauf, seinen Sarkasmus möglichst träf an den Mann zu bringen. Mit zwei knallharten Fäusten und einer Tasche voll Gadgets die Welt zu retten, war immer eine (lösbare) Nebenaufgabe, zu deren Bewältigung gelegentlich auch ziemlich clowneske Stunts eingesetzt werden konnten. Kaum überraschend, dass die Plots eines Grossteils dieser Filme schon fast schematisch aufgebaut sind, von der actiongeladenen Eröffnungssequenz über Briefing und Ausstattung durch M und Q, rituelle Kontaktaufnahme mit dem Bösewicht (oder seiner Freundin) bis zur Gefangennahme und zum Showdown in einem möglichst spektakulären Ambiente: alles ein überlanger, hochamüsanter Running Gag. Wiedersehen macht Freude, und darin liegt ein Grund für den Erfolg der Bond-Reihe.

Mit Daniel Craig wurde vieles anders. Nachdem die alte Formel in Pierce Brosnans letztem Film, Die Another Day, der an seiner eigenen Absurdität fast erstickte, wieder mal krachend an die Wand gefahren wurde, scheinen sich die Bond-Macher besonnen zu haben. Der neue Bond sollte mehr als ein Abziehbild sein; er sollte einen Charakter bekommen, zweifeln und sich irren dürfen – und sich entwickeln, vom jungen, ungestümen, kantigen Agenten zu einer Persönlichkeit. Das war ein gewisses Risiko, denn die bedingungslosen Adepten der alten Formel erkennen ihren Helden in der neuen Version nicht wieder, und zudem ein gewisser Aufwand, da ein solcher Charakter nicht nach einem Film schon fertig ist. Im dritten Craig-Bond, Skyfall, scheint das Ziel erreicht, und zwar auf magistrale Weise. Ich schliesse mich ohne zu zögern jenen an, die Skyfall zu den besten Bond-Filmen zählen. Die Geschichte entwickelt sich dunkel und bedrohlich, aber ohne die gehetzten Übergänge von Quantum of Solace. Javier Bardem ist als Bösewicht Silva intelligent, gnadenlos, eine Spur lächerlich und auf fast klassische Weise tragisch. Bond agiert nach einer Auszeit von ein paar Monaten (wegen Todes) in der ganzen ersten Hälfte des Films verzweifelt an seinen körperlichen Limiten; sowohl er als auch seine Vorgesetzte M (Dame Judi Dench) sind in diesen Film als Persönlichkeiten mit einem guten Teil ihrer Lebensgeschichte involviert. Das epische, düstere Finale im Nebel der schottischen Highlands ist trotz augenzwinkernder Anleihen beim A-Team eine ernsthafte, apokalyptische Angelegenheit. Missglückt ist einzig die Erklärung für Silvas um sieben Ecken herumdenkende Attacke: Sich als Polizist zu verkleiden und in den Raum einzudringen, in dem er seine Rache vollbringen will, wäre doch auch möglich gewesen, ohne dass er davor Bond um die ganze Welt herum auf seine Spur gebracht hätte. Und warum man in sämtlichen mir bekannten Filmen einen Hacker nie vor einer Kommandozeile, sondern immer nur vor elaborierten grafischen Animationen sieht, soll mir auch mal einer erklären…

Wer in all dem den klassischen Bond zu vermissen befürchtet, sei beruhigt: Die Actionsequenzen (besonders im Vorspann) sind auf der Höhe der Kunst, die Bond-Girls, wiewohl reine Nebenfiguren, bleiben atemberaubend, das Casino von Macao ist absolut splendid, und Bonds sarkastische Kommentare fehlen nicht, sind einzig eine Spur grimmiger. Höchste Kunst stellen – wie immer seit Casino Royale – die Dialoge dar, schneidende Wortgefechte im Kammerspiel-Setting. Der rekordverdächtige kommerzielle Erfolg des Films ist hoffentlich Garant dafür, dass die nächste Ausgabe in ähnlichem Stil daherkommen wird

Technisches: Skyfall läuft in gefühlt der Hälfte aller Kinos der Schweiz. Es versteht sich von selbst, dass nur Banausen die synchronisierte Version anschauen; wo immer ein anachronistischer Kinobetreiber auf die Originalversion setzt, sollte er mit grossem Zuspruch entschädigt werden.

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