Samstag, 28. Juni 2008

Vom allmählichen Fallen in die Verzweiflung

Noch ein italienischer Film, diesmal jedoch im Kino um die Ecke hier in Fribourg: „Giorni e nuvole“. Der Film beginnt mit Szenen des Glücks. Elsa und Michele sind auch nach zwei Jahrzehnten Ehe noch ein starkes Paar, von tiefer Liebe und absolutem Vertrauen zusammengehalten. Sie wohnen in einer eleganten Altbauwohnung in Genua. Michele ist Firmenpartner und Direktor, Elsa hat sich soeben den Traum eines Kunstgeschichtsstudiums erfüllt, glanzvoll übrigens, und arbeitet daneben als Restauratorin, die zwanzigjährige Tochter Alice ist am Ausfliegen, nicht konfliktfrei, aber im gegenseitigen Respekt. Ein grosser, fröhlicher Freundeskreis überrascht die frischgebackene Dottoressa mit einer rauschenden Party. Dann der Schlag: Michele gesteht seiner Frau, dass er schon seit zwei Monaten arbeitslos ist, von den Geschäftspartnern aus der Firma gemobbt, nur die Schulden haben sie ihm überlassen. Zwanzigtausend Euro auf der Bank, das ist alles, was ihnen bleibt; weit reicht das nicht, jedenfalls nicht bei ihrem bisherigen Lebensstil.

Im Rest des Films schaut Regisseur Silvio Soldini dem Traumpaar unerbittlich und regungslos beim Fallen zu. Stück für Stück bricht sich die brutale neue Realität ihre Bahn, verpuffen eine nach der anderen sämtliche Hoffnungen, scheitern alle Versuche, den Niedergang zu stoppen, sich aufzufangen, wieder Fuss zu fassen. Elsa gelingt das ein bisschen besser; sie ist entschlossener, schickt sich schnell und wie selbstverständlich ins Unvermeidliche, kann den Fall gewissermassen bremsen und verliert immerhin nicht ihren Mut. Michele lässt sich mehr und mehr gehen. Zunächst ist er nur traurig, erschöpft, dann zusehends genervt, schliesslich versinkt er widerstandslos im eigenen Elend. Erst als die beiden wirklich ganz unten angelangt sind, als ihre Liebe schon fast in Trümmern zwischen ihnen liegt, klammern sie sich mit letzter Entschlossenheit nochmals und wieder aneinander fest. Vielleicht gibt es noch Hoffnungen; mindestens gibt es Ansätze dazu.

Schonungslos und ohne falschen Kitsch zeigt der Film den jähen Fall aus sämtlichen Sicherheiten des Lebens und den oft vergeblichen Kampf darum, diesen Fall zu bremsen, das Schicksal wieder in die Hand zu nehmen und das Unglück zu wenden. Das ist ernüchternd und auch ein bisschen mühsam. Der Film fühlte sich viel länger an als die zwei Stunden, die wir im Kino sassen. Damit hat er sein Ziel wohl erreicht, eine ungeschminkte Sozialstudie zu zeigen, nimmt aber gleichzeitig in Kauf, etwas langfädig und passagenweise langweilig zu wirken.

Bestnoten verdienen hingegen die Hauptdarsteller: Als Elsa brilliert Margherita Buy in ihrer Paraderolle als gutbürgerlich-elegante Mittvierzigerin, die emotional ins Schlingern gerät. Mit Glatze und Hundeblick gibt Antonio Albanese den Michele als herzensguten, liebenswerten Typen, der seine Güte und Liebenswürdigkeit im Angesicht der Tragödie nicht bewahren kann. Alle Nuancen der bröckelnden Beziehung, aber auch der zaghafte Versuch des Auf- und Wiederanfangens finden in der Kunst dieses Schauspielerpaares einen überzeugenden Ausdruck.


[UPDATE: Die offizielle Website des Films hat ihre Adresse gewechselt.]

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