Dienstag, 10. März 2009

Such stuff that dreams are made on

"Haben Sie es schon gesehen?" fragte mich die Dame bei Bern:Billett, als ich die Tickets für "Such stuff that dreams are made on" abholte. "Absolut fantastisch! Die Choreografie von Botelho ist wunderbar, Sie werden sehen." Was soll ich sagen? Gleich als das Licht anging und die Musik aufgedreht wurde, war ich berührt, dann zusehends gefesselt von der Intensität dessen, was ich sah. Ich fürchte allerdings, dass ich diese Faszination hier nicht adäquat in Worte giessen kann; denn wenn ich beschreiben wollte, was wir sahen, müsste ich ganz banal sagen: eine einzige grosse wiederkehrende Bewegung von links nach rechts über die Bühne. Zunächst auf allen Vieren kriechend. Dann, plötzlich, ein Unterbruch im Kriechen, eine Rückwärtsdrehung - und wieder zurück auf alle Viere. Der Unterbruch pflanzt sich fort, von der einen Tänzerin zum andern Tänzer; die grosse, einheitliche Bewegung kriegt Risse, sammelt sich in einer neuen Form, gewinnt an Tempo, verliert dies wieder; es geht vom Boden weg, in den aufrechten Gang, teils hüpfend, bald rennend. Von Zeit zu Zeit tauchen einzelne in neuen Kleidern auf. Dazu klingen massive Akkorde, ein ebenso kontinuierlicher Tonstrom mit ebenso punktuell einfliessenden Modulationen. Kurz: ein hypnotisierendes Spektakel, das in einem Bild überragender Schönheit gipfelt: Die Tänzerinnen und Tänzer, nun über die Bühne rennend, ziehen dünne Fäden hinter sich her; die Fäden arrangieren sich in gestaffelten Ebenen zu einem seidigen Bild; zwischen den Bahnen, hart von oben beleuchtet, wird das Rennen immer schneller und stroboskopischer, wie Schlaglichter im dröhnenden Nebel. Noch nie habe ich nach einem Tanzabend solch intensiven, freudigen Applaus miterlebt.

Vor diesem grossen Eindruck verblasst zu Unrecht ein bisschen Cathy Marstons eigener Beitrag vor der Pause. Wie derjenige Botelhos stand er unter der gemeinsamen Inspiration von Shakespeares Sturm. (Und wie bei Botelho habe ich davon wenig verstanden, was vielleicht daran liegt, dass ich den Sturm nicht gelesen habe... [Note to self: Vor dem nächsten Ballett unbedingt endlich mal die entsprechenden Vorlagen lesen, damit ich nicht immer im Trüben fische.]) Marston interessierte sich für die zwei Geister aus Shakespeares Drama, den Waldgeist Caliban und den Luftgeist Ariel. In zwei Pas-de-deux entwickeln sich ihre Persönlichkeiten: erdverbunden, animalisch, körperlich diejenige des ersteren, ätherisch, schwebend, leicht diejenige des zweiten. Beide sind sie verbunden mit einer zweiten Gestalt, mit der Hexe Sycorax und mit Prospero, und in beiden Duos geht es um diese Beziehung, um die Verbundenheit und ums Loslösen. Den einzigen Abstrich in meiner hymnischen Rezension mache ich bei der weniger zugänglichen Musik in diesem Teil – doch das ist jetzt schon fast Beckmesserei. Ansonsten sind Hymnen für diesen Abend durchaus die zutreffende Form von Kritik.


Technisches: Bis ich die richtigen Worte gefunden habe, sind nun alle Aufführungen schon vorbei. Weiterlesen kann man Marianne Mühlemann im Bund und Kristina Soldati auf tanzkritik.net

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