Donnerstag, 20. August 2009

Art. 20

Im aktuellen Kundenmagazin der Post findet sich (prominent platziert ab Seite 6) ein Interview zur Postmarktliberalisierung in Europa mit Matthias Finger, der folgendermassen vorgestellt wird:

"Prof. Matthias Finger hat den Lehrstuhl für Management von Netzwerkindustrien an der ETH Lausanne inne. Er erforscht und lehrt Regulierung und Management von Netzwerkindustrien wie Strom, Wasser oder Post. Sein Lehrstuhl wird von der Post finanziell unterstützt."

Ich weiss sehr wohl, dass es heute gängige Praxis von Unternehmen ist, durch Hochschulsponsoring ihre eigenen Forschungsinteressen mit einem Renommiermantel zu umkleiden und gleichzeitig kritische Forschung mindestens zu kontern, wenn nicht gar zu behindern. Ich weiss auch, dass die Hochschulen mehr als nur sanft gedrängt werden, bei Unternehmen die offene Hand zu machen. Ich frage mich nur, ob ich der einzige bin, der diese Praxis einfach skandalös findet. Unternehmen, die Geld in Forschung und Entwicklung stecken wollen, sollen das gefälligst in ihren eigenen vier Wänden tun. Moderne demokratische Staaten, und zuvorderst so reiche wie die Schweiz, sollen ihre Hochschulen gefälligst mit den nötigen Mitteln ausstatten, um ihnen unabhängige Forschung zu ermöglichen. Und die Hochschulen sollen sich gefälligst ein bisschen entschiedener wehren für ihre Unabhängigkeit. (Die inzüchtige Absurdität, dass die Unternehmenskommunikation der Post den Post-gesponserten Professor zur Postmarktpolitik befragt, ist bei der ganzen Geschichte nur das Sahnehäubchen.)

Artikel 20 der Bundesverfassung sagt kurz und knapp: "Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet." Solange auch renommierte schweizerische Hochschulen bereit sind, ihre Reputation für ein Linsengericht zu verkaufen, hat der schöne Satz einen reichlich hohlen Klang.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen