Freitag, 4. Dezember 2009

"Unabhängige" Parteipresse

In letzter Zeit wäre die Weltwoche mehrfach für einen Blogpost gut gewesen. Da reiste Christoph Blocher nach Nordkorea und durfte in seinem Hoforgan nicht nur einen Reisebericht schreiben, sondern gleich noch die daraus (in einer einzigen Nacht) inspirierte neue Strategie für die Schweizer Armee darlegen, die da wäre: Vom Vietcong lernen heisst siegen lernen. Ho-Ho-Ho-Chi-Minh! Die journalistische Vor- und Nachbereitung dieses Ergusses gipfelte in der schrillen Absurdität, dass in der Zeitschrift, die zwecks Kampf gegen den Islamismus dezidiert das Minarettverbot unterstützte, ein Taliban-Kommandant zu Blochers Strategie befragt wurde und diese in den höchsten Tönen lobte. Gleichzeitig durfte auch Inlandchef Philipp Gut wieder mal in der Opferrolle schwelgen. Nachdem er im Sommer bereits in einem psychologisch tief blicken lassenden Artikel seinem Unbehagen über Homosexuelle Ausdruck gegeben hatte, liess er uns nun an seiner Diskriminierung durch die Frauen teilhaben. Für seine aufgeregte Verquickung von Unzusammenhängendem, nicht Durchdachtem und geradewegs Falschem kommt mir unweigerlich der Titel der Spiegel-Online-Rubrik Aus dem Zusammenhang gerissen und falsch zitiert in den Sinn. Unerträglich ist aber vor allem der weinerliche Grundton des Pamphlets.

Als erfahrener Weltwoche-Leser ist man sich solch intellektuelle Tiefschläge leider gewohnt und legt sie seufzend zum Altpapier. Das hier soll ja auch erklärterweise nicht zum WeWo-Watchblog verkommen. Nicht mit Schweigen übergehen lässt sich hingegen eine Entgleisung in der neuesten Nummer. Da schreibt Peter Keller unter dem Titel Druck von unten über die SVP-Basis, die ihre Parteileitung zusehends rechts überholt. Nun ist Keller nicht nur Weltwoche-Redaktor, sondern auch Vizepräsident, Pressechef und Landrat der SVP Nidwalden. Köppel hatte die Doppelrolle des schreibenden Politikers seinerzeit mit dem gutschweizerischen Milizprinzip gerechtfertigt, was bereits damals Stirnrunzeln verursacht hatte. Wenn der SVP-Jungspund und Lokalkader jetzt aber als Journalist über seine eigene Partei schreiben darf (und zudem mit einer kaum verhüllten hidden agenda), hat dies mit unabhängiger Presse nichts mehr zu tun. Für letztere bin ich gerne bereit zu zahlen, auch wenn ich ihre Meinungen nicht teile. Für ein SVP-Parteiblatt, in dem innerparteiliche schmutzige Wäsche gewaschen wird, habe ich hingegen nicht das geringste Bedürfnis.

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