Sonntag, 17. Januar 2010

Ein Winternachtstraum

Neben dem Theatergebäude von Nuithonie steht gegenwärtig ein eigenartiger, zwölfeckiger, gedrungener Turm, kunstvoll aus Holz errichtet: eine verkleinerte Nachbildung des Londoner Globe Theatre aus Elisabethanischer Zeit und gleichzeitig eine Wanderbühne (mit dem sinnigen Namen Tour Vagabonde), auf der bzw. in der das unmittelbare, volkstümliche, interaktive Theatererlebnis wiederbelebt wird, das Shakespeare seinem Publikum geboten hatte. Man sitzt im Parterre hart unter der Bühne oder auf den beiden schmalen Etagen rund um sie herum und sieht die Akteure aus nächster Nähe – oder sieht sie gelegentlich auch nicht, denn gespielt wird überall, auch in den toten Winkeln. Der englische Regisseur Pip Simmons bringt in diesem ungewohnten Raum eines der bekanntesten Stücke Shakespeares zur Aufführung, die Komödie A Midsummer Night’s Dream. Das ist ein furioses Spektakel, ein Stück der Irrungen und Wirrungen, durchsetzt mit viel handfester Komik. Simmons fokussiert stark auf diese derbe Seite, die Schauspielerinnen zeigen viel Unterwäsche und nackte Haut, die Figuren sind häufig grotesk überzeichnet. Das kommt dem ursprünglichen Shakespeare wohl sehr nahe, hat aber auch etwas Ermüdendes: Bald hat man begriffen, dass der Elfenkönig Oberon und sein Helfer Puck famos heitere Gesellen sind, so dass das neckische Lachen, mit dem sie jeden Satz beschliessen, etwas aufgesetzt zu wirken beginnt. Und auch Theseus’ Macke, keinen Busen und kein Champagnerglas unangetastet vorbeigehen zu lassen, nützt sich mit der Zeit ab. So war vieles überdeutlich gespielt, waren alle Figuren letztlich sehr eindimensional. Ob das gewollt war, gar ebenfalls Shakespearisch? Ich weiss es nicht. (Nicht hilfreich war bei dem Ganzen natürlich, dass ich vom rasanten, kunstvollen französischen Text einiges nicht verstand. Meine Gewährsperson bestätigt mir allerdings, dass die Übersetzung geistreich und gelungen war und sich durch viel Wortwitz auszeichnete.)

So bleibt mir von diesem winterlichen Theaterabend weniger die Interpretation in Erinnerung als vielmehr der einmalige Rahmen: die kunstvolle Turmskulptur im gefühlten Niemandsland neben den Hochhäusern von Cormanon, die zirkusartige Atmosphäre der schmalen Bänke, die von schräg oben den Blick auf das Geschehen gewähren, die raumgreifende Bespielung der Etagen, Treppen und Säulen. In den wärmeren Jahreszeiten, lese ich, kann das Dach entfernt werden, und die Tour vagabonde wird gewissermassen zum geschlossenen Freilichttheater. Wenn sie im Mai wieder in der Gegend ist, gehe ich gern wieder hin.


Technisches: „Songe d’une nuit d’été“ wird noch bis am nächsten Sonntag in Fribourg gespielt; im Februar und März gastiert die Tour vagabonde dann auf dem Campus der Uni Lausanne.

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