Rom beeindruckt wie keine andere Stadt, die ich kenne, nicht nur durch seine grossartige Architektur, sondern auch durch die schiere Masse an grossartiger Architektur. Man kann stundenlang in der Stadt flanieren, ohne dass Hässlichkeit sich breitmacht, und begegnet dabei immer wieder herrschaftlichen Villen mit fantastischen Gärten oder verläuft sich in Parkanlagen von unabsehbarer Weite. Die Namen nennt jeweils der Stadtplan, und der Reiseführer liefert gelegentlich ein historisches Häppchen dazu. Wer aber gerne da und dort ein bisschen mehr wissen möchte über die imposanten Palazzi, dem sei das Buch Römische Paläste und Villen des Regisseurs und Autors Ernst Batta ans Herz gelegt. Dabei geht es nicht, wie man denken könnte, um Kunstgeschichte, sondern in erster Linie um historischen Klatsch und Tratsch. Anhand von 25 Palästen und Villen erzählt Batta aus der Geschichte von ebenso vielen römischen Familien. Und das sind beileibe keine Gutenachtgeschichten. Römische Familien im Lauf der Jahrhunderte, das bedeutet Adlige, Kardinäle und Päpste, das bedeutet Aufstieg und Niedergang, Reichtum und Prunk, Krieg, Intrigen und Vetternwirtschaft. Alle ziehen sie so am Auge des Lesers vorbei: die Borghese und die Colonna, die Barberini und die Farnese, die Borgia und die Pamphili – klingende Namen, Triumphe und Abgründe. Die Lektüre ist höchst unterhaltsam (wie bei Klatschheften üblich), und mit fortschreitendem Buch kommen Handlungsstränge zusammen, zeigen sich Links und Verbindungen, werden Nebenfiguren im einen Palazzo zu Protagonisten im anderen, folgen Schirmherren auf Beschirmte, Kardinäle auf Päpste und umgekehrt. Es entsteht das Porträt einer langen Epoche, von der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert, in der Rom der Mittelpunkt der Welt war – und des Christentums ohnehin (wobei das meiste der pikanten Details, von denen dieses Buch lebt, mit Christentum herzlich wenig zu tun hat; aber das ist eine andere Geschichte).
Ernst Batta hat ein vergnügliches Buch geschrieben. Seine Liebe zu und Begeisterung für Rom, diese einzigartige Schaubühne von Kabalen und Ränken, leuchtet aus jeder Seite. Es wäre übertrieben zu sagen, dass ich die dreihundert Seiten wirklich studiert habe. Aber auf der nächsten Romreise (so Gott will) werde ich da und dort eine Fassade wiedererkennen, ein Detail beachten, mich an eine Anekdote erinnern – und mich darüber freuen.
Technisches: Ernst Batta, Römische Paläste und Villen. Annäherung an eine Stadt. Insel Taschenbuch 1324. Frankfurt, Insel 1992. ISBN 3 458 33024 0. Das Buch ist vergriffen und nur mehr antiquarisch erhältlich.
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