Samstag, 10. Dezember 2011

KKQQ

KKQQ von der 2bcompany im kleinen Saal von Nuithonie, das sind: links drei Übersetzerkabinen aus hellem Holz mit Fenstern vorne und seitlich, rechts oben hängend drei Leinwände, vorne auf der Bühne ein Tisch und ein paar andere Requisiten. In den Kabinen sitzen zwei Frauen und ein Mann mit Headsets auf dem Kopf; sie blicken in ihr MacBook oder lesen, gelegentlich hört man sie gedämpft reden oder singen. OK. Dann gehen die Projektoren an; auf den Leinwänden erscheinen die gleichen drei in ihren Kabinen und formen mit Zetteln mehr oder weniger synchron eine Begrüssungsbotschaft, während gleichzeitig in den Kabinen die individuelle Beschäftigung weitergeht. Plötzlich stürmt eine der Frauen, den Computer in den Händen, aus ihrer Kabine auf die Bühne, grüsst, nimmt Anlauf, hechtet über den Tisch, schmeisst einen Plastikchristbaum in Richtung Kabine, hechtet wieder zurück, klatscht die Wände ab, schmeisst wieder, schreit und keucht dabei als wäre sie auf einem Schlachtfeld. Nun gut. Dann kehrt sie zurück in die Kabine, und auf den Leinwänden entspinnt sich mit quiekenden Stimmen ein absurder Dialog über Kaffee beziehungsweise dass und wie man sich diesen doch sonst wohin stecken sollte.

So geht das noch ein Weilchen weiter, auch die zweite Frau kriegt etwas Auslauf, schmeisst ihrerseits Bücher, es wird ein bisschen falsch gesungen. Experimentelles Theater halt. Doch dann, die angekündigten 45 Minuten sind schon recht fortgeschritten, fällt endlich der Groschen: Was ich hier sehe, ist eine ausgeklügelte, durchchoreografierte Collage aus real und Konserve, aus live und zeitversetzt. Die Szenen auf den Leinwänden sind die gleichen, die wir eben in den Kabinen gesehen haben, nach Bedarf beschleunigt und zusammengeschnitten, und die real ablaufenden Vorgänge treten aufs Raffinierteste in Dialog mit den Filmen. Jetzt macht aufs Mal auch das Geschmeisse endlich Sinn: In einer herrlichen, mit „remplissage de tête“ betitelten Sequenz erscheint des Mannes Kopf gross auf der mittleren Leinwand und wird von links und rechts mit Christbäumen, Büchern und hechtenden Frauen abgefüllt. Für den Rest des Stücks läuft mein Kopf auf Hochtouren, um mit massiv parallelem Hinsehen die Querbezüge zu bemerken und aufzulösen.

So pubertär wie sein Titel, so schräg bleibt KKQQ bis zum Schluss; die Absurdität der Texte und Lieder, soweit ich sie verstehe, ist kaum zu toppen. Doch eine Aussage, ein Interpretationsansatz wird klar: Und wenn sich Kunst gar nicht in Gattungen aufteilen liesse wie die Ware beim Metzger? Wenn ein Theater auch ein Film, ein Film auch ein Gemälde sein könnte, und zwar gleichzeitig, je nach dem, wie man darauf blickt? Wenn sich ein Bühnenkunstwerk nicht nur in den bekannten drei Raum- und der einen Zeitdimension abspielen würde, sondern darüber hinaus Zugang hätte zu einer fünften Dimension, in der es mit sich selber interagieren könnte? Viel mehr als eine Performance ist KKQQ ein Labor, eine Petrischale gigantischen Ausmasses, in welcher allerlei Sporen ins Kraut schiessen, miteinander verschmelzen, Hybriden und Chimären bilden und die herkömmliche Lehre sanft in Frage stellen.


Technisches: Nach dem Studium der Website scheint mir, dass die Stücke der 2Bcompany wohl als work in progress zu kategorisieren sind – an einigen sind sie schon mehrere Jahre dran. So ist zu erwarten, dass sich die eine oder andere Gelegenheit noch bieten wird; als nächstes im März und April in Vidy.

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