Sonntag, 6. September 2009

Im Herbst

„Heute morgen, unter der Dusche, habe ich an mir das erste weisse Schamhaar entdeckt.“ So beginnt die Saison im Theater an der Effingerstrasse; so beginnt „Im Herbst“ von Felix Römer. Im prägnanten Einstieg ist alles drin, was das Stück auszeichnet: Die Auseinandersetzung mit dem beginnenden Alter, in welcher unter dem souveränen Sarkasmus gelegentlich die nackte Panik durchscheint, und die Männerfreundschaft, die tief geht, aber trotzdem von Oberflächlichkeiten nicht frei ist. In erster Linie ist „Im Herbst“ aber ein Starvehikel für Suske und Schönbeck. Stefan Suske und Uwe Schönbeck, jahrelange Veteranen des Stadttheaters Bern und dortselbst alleine, aber vor allem als komisches Doppel grosse Publikumslieblinge, kommen zum zweiten Mal nach letzter Saison in den intimen Rahmen der Effingerstrasse; und ihr ehemaliger Krefelder Kollege Römer hat ihnen dazu ein Duett auf den Leib geschrieben. Stefan Suske brilliert als Schriftsteller Max, der sich vom aufreibenden Leben als Psychiater zurückgezogen, im minimalistischen Haus am See installiert hat und dort mit Millimeterschnitt, lässiger Eleganz und überbordender Abgeklärtheit den Philosophen gibt, währenddem er mit wenig anspruchsvoller Literatur gutes Geld verdient. Uwe Schönbeck hat die dankbare Aufgabe, sich mit Haut und Haar, mit Vehemenz und Larmoyanz im Selbstmitleid des Provinzschauspielers Robert zu suhlen, der sich von der intensiven, aber unglücklichen Beziehung zur zwanzig Jahre jüngeren Klara zu erholen versucht. Roberts Liebeskummer ist das Thema ihrer Dialoge, aber auch das unerbittlich fortschreitende Alter der beiden Fünfzigjährigen. Wie vertragen sich die unterschiedlichen Lebensentwürfe mit dem fast schon romantischen gemeinsamen Ziel einer Alters-WG inklusive polnischer Putzfrau? Am Schluss ist es der chaotisch-überspitzte Robert, der zu neuem Glück aufbricht, währenddem Max etwas verbittert in seiner Nobelklause zurückbleibt.

Die Figuren sitzen passgenau; Suske und Schönbeck füllen sie bis in die Fingerspitzen aus. Unter der Oberfläche einer alten, vertrauten Freundschaft lassen sie verborgene Spannungen erkennen, unausgesprochenes Misstrauen und gelegentliche Genervtheit. Freilich tritt hinter den Protagonisten und ihrem Spiel das Stück selber etwas in den Hintergrund. Schon am Tag nach der Aufführung konnte ich mich nur noch der Spur nach an die Fabel in all ihren Wendungen erinnern. Das muss kein Nachteil sein: Hier geht man wegen der Schauspieler ins Theater, weniger wegen des Inhalts; und zu sehen bekommt man die hohe Kunst des tragikomischen Duetts.


Technisches: „Im Herbst“ wird an der Effingerstrasse noch bis am 26. September gespielt; Karten gibt es unter 031 382 72 72. Für den Bund hat Charles Linsmayer bereits berichtet.

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