Sonntag, 12. August 2007

Nebel über Islay

Whisky sollte man geniessen, nicht beschreiben, eigentlich – auch wenn die wachsenden Kulinarikabteilungen von Buchhandlungen vom Paradox der Genussmittelbeschreibung offenbar gut leben. Nun wäre es ein Missverständnis zu denken, Michael Jacksons Scotland and its Whiskies sei ein Buch über Whisky. Es ist der Bericht über eine Reise längs und quer durch Schottland. Dass der Autor dabei von Zeit zu Zeit eine Destillerie antrifft, ist gänzlich unvermeidlich, und es wäre ein Sakrileg, daran vorbeizugehen, ohne einen Schluck Lebenswasser (uisge beatha) zu probieren... und darüber jeweils ein paar Zeilen zu schreiben.

Aber eigentlich ist es egal, worüber Michael Jackson (der ärmste heisst tatsächlich so) schreibt; ich würde wohl alles von ihm lesen, solange er es so schön schreibt, wie er es über Schottland und seinen Whisky tut. Die letzten paar Jahre habe ich aus beruflichen Gründen tausende von Seiten Englisch gelesen. Dies allein wäre kein Grund zur Klage, wenn es denn klassische Wissenschaftsprosa gewesen wäre, welche die Engländer und Amerikaner so erfrischend elegant beherrschen. Stattdessen bin ich durch die Worthölle von technical reports und, schlimmer, policy documents gegangen, welch letztere sich dadurch auszeichnen, dass sie nichtssagende Modeworte zu grosstönenden Sätzen kombinieren, in der Regel mit dem Hauptziel, die Zahlung von irgendwelchen Geldbeträgen auszulösen. Nach diesem Jammertal nun also Jackson. Vom Whisky-Degustieren sind seine Sinne aussergewöhnlich geschärft: Wenn er durch die Moore oder den Bächen entlang wandert, wenn er auf Berge und Hügel steigt oder auf Inseln übersetzt, scheint er mehr wahrzunehmen als unsereiner – und bringt das in grandios reicher Sprache zu Papier. Ich bekenne, dass ich passagenweise wenig verstanden habe, so poetisch ist sein Wortschatz; und doch habe ich auf das Wörterbuch meist verzichtet, denn es gibt, scheint mir, ein Verständnis jenseits der Worte. Geholfen haben dabei die meisterhaften Bilder von Harry Cory Wright.

Übrigens erfährt man in diesem Landschaftsbuch tatsächlich ganz nebenbei auch alles Wissenswerte über schottischen Whisky und seine Herstellung. Wright steuert dazu viele sehr didaktische Bilder bei. Und Jackson neben den technischen Details die Quintessenz: Wie jedes gute Naturprodukt ist ein grosser Whisky die Frucht von Landschaft, Wetter und handwerklicher Meisterschaft. Ich erhebe mein Glas auf einen Hochgenuss von Buch!


Technisches: Michael Jackson: Scotland and its Whiskies. The great whiskies and their landscapes. Photography by Harry Cory Wright. New York, Harcourt 2001. ISBN 0-15-100942-2. (Auch auf Deutsch erhältlich bei Hallwag.)

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