Donnerstag, 23. August 2007

„Und sie bewegt sich doch“

Zur Zeit arbeite ich mich – vielleicht hat mans ja gemerkt – quer durch mein Bücherregal, möchte endlich etwas aufholen, all die Bücher lesen, die ich seit langem gekauft und geschenkt gekriegt habe. Ich scanne die Rücken, und das erste ungelesene Buch, das mir gefällt, ziehe ich raus. So habe ich eben Luciano De Crescenzos Darstellung der Anfänge des modernen Denkens gelesen.

Einem Leonardo nicht unähnlich war De Crescenzo früher Ingenieur, bevor er sich in die Philosophiegeschichte stürzte und eine Reihe leichtfüssiger Werke veröffentlichte, Schlaglichter auf eine Epoche oder einen Mythos. Hier skizziert er, nach einer kurzen, präzisen Einführung, die Porträts von zwei Dutzend Männern, die jene Zeit prägten, in der Gewissheiten, starre Strukturen und Denkverbote aufgebrochen und in einem revolutionären Sturm wesentliche geistige Errungenschaften erzielt wurden: die Zeit des Humanismus und der Renaissance. Zur Hauptsache sind die Protagonisten Italiener, aber auch die Reformatoren, Astronomen und Philosophen von nördlich der Alpen fehlen nicht: Der Bogen spannt sich von Nikolaus von Kues bis zu Galileo Galilei. Die Porträts ergänzt De Crescenzo jeweils mit einem „Apropos“, einem persönlichen Nachsatz, der wichtige Gedanken nochmals aufgreift oder auch nur seine besondere Beziehung zum Beschriebenen erläutert.

Nahe und lieb sind sie ihm fast alle. Mir aber wurden sie nicht wirklich vertraut. Zu oft bleiben die Porträts an der Oberfläche, zu oft hat die Kürze den Ton einer Lehrbuchzusammenfassung, und gerade die hierzulande weniger bekannten Figuren werden in lexikalischer Knappheit und ohne persönliche Noten behandelt. Hier und da stechen geistreiche Passagen heraus, so zur Namensgebung von Nikolaus von Kues (p.13), zur Skepsis bezüglich Nostradamus (p.133) oder zur Interpretation eines erotischen Gedichts von Tommaso Campanella (p.161). Leider sind sie durchsetzt mit etlichen Trivialitäten, unzusammenhängenden Bemerkungen und etwas ermüdenden Betrachtungen zur italienischen Politik.

Dankbar bin ich für die konzentrierte Erinnerung an eine Blütezeit der europäischen Geistesgeschichte. Dann aber lege ich das Buch ohne bleibende Nachgedanken aus der Hand.


Technisches: Luciano De Crescenzo: Und sie bewegt sich doch. Die Anfänge des modernen Denkens – von Nikolaus von Kues bis Galileo Galilei. Deutsch von Bruno Genzler. München, btb 2006. ISBN 978-3-442-73485-6

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