Freitag, 13. Februar 2009

Theatergeschichten

Auf der Bühne ist hinter der Bühne: Rückansicht von Kulissen, Requisitenkoffer, Garderobenständer. Die eigentliche Handlung findet auf der anderen Seite dieses Hintergrunds statt, hier aber herrscht ein Kommen und Gehen, untermalt vom Stimmen der Instrumente, von Ouvertüre und Ballettmusik, von Arien und Duetten. Protagonisten abseits der Protagonisten sind drei Bühnenarbeiter: Ein etwas resignierter Philosoph (oder Beamter) mit zwei linken Händen, der kaum eine Leiter besteigen kann und von dem nicht ganz klar wird, was ausgerechnet er bei der Bühnenarbeit verloren hat. Der Praktiker mit Werkzeuggürtel und gestähltem Körper, der eigentlich lieber Bodybuilder wäre. Und der Chef dieses kleinen Reiches, der im Bühnenkoffer seine Kommandozentrale hat und mit mächtigem Bauch und dezenter Gestik seine Untergebenen kommandiert. Die drei tragen strubbliges Haar und mächtige Zinken im Gesicht: Es sind Masken, und die drei Menschen, die hinter ihnen stecken, die Familie Flöz, schlüpfen noch in ein Dutzend weitere Figuren. Da sehen wir die Stars der Bühne, die zickige Diva, den blasierten Altstar, den dauergeilen Ballettchef, die backfischige Tänzerin; und daneben das halbe Orchester inklusive Dirigent sowie das weitere Assistenzpersonal. Maskentheater ist grossartig, weil tatsächlich die richtige Form der Nase, die Körperhaltung und zwei-drei Gesten genügen, um einen Menschen unverwechselbar vor uns entstehen zu lassen. Zu den präzisen Charakteren kommen etwas Slapstick und feiner, fast poetischer Humor. Und zusehends mehr Magie: Im Theater ist nämlich nicht alles so, wie es scheint, und in einer magischen Zwischenwelt, in der der Geist des Hauses erscheint, nähern sich unsere drei Helden der Erfüllung ihrer Träume. Der Philosoph erlebt einen schüchtern-verliebten Tanz mit dem Backfisch, der Bodybuilder steht endlich selber im Scheinwerferlicht, und der Chef gewinnt die Oberhand über den blasierten Star der Truppe und gleichzeitig die Gunst der Diva.

Teatro Delusio heisst das Stück von der Familie Flöz, einer Theatertruppe aus Berlin. Die Familienmitglieder waren letztes Wochenende in Nuithonie zu Gast. Durch den sanften Schneefall fuhr ich an den Stadtrand hinaus, im fahlen Licht stand der Quader der Salle Mummenschanz, und in diesem schönen, hohen Raum verzauberte das feine Spiel unseren Abend.


Technisches: Die Familie Flöz tourt mit vier verschiedenen Produktionen durch halb Europa. Falls in der Nähe: Hingehen!

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