In einer elsässisch anmutenden Stadt der vorletzten Jahrhundertwende liegt Krieg in der Luft: Ein umfangreiches Heer wird zusammengezogen, Generäle fahren zum Königspalast; surreale Luftschiffe kreuzen über den Fachwerkhäusern. Die junge Hutmacherin Sophie wird bei einer Besorgung von zwei Soldaten belästigt, von einem hübschen jungen Mann gerettet – und ohne es zu wissen oder zu wollen in einen magischen Mahlstrom gezogen. Der junge Mann ist nämlich der berühmte Zauberer Hauru, und seine Zuneigung zu Sophie erzürnt eine alte Rivalin, die Hexe aus dem Niemandsland, die Sophie mit ihren nacktschneckenschleimigen Bediensteten heimsucht und in eine Greisin verwandelt. Auf ihrer Flucht aus der Stadt findet Sophie im fantastischen wandelnden Schloss von Hauru Einlass, und als Schlossputzfrau durchlebt sie an der Seite des Zauberers die nun folgenden magischen und kriegerischen Ereignisse: die Auseinandersetzung mit der kriegsgurgelnden königlichen Zauberin Madame Soliman, die Brutalität der Kämpfe, aber auch das dunkle Geheimnis, das Hauru und seinen Feuerdämon und Schlossmotor Calcifer verbindet und quält. Mit viel praktischem Verstand, Neugier und persönlichem Mut gelingt es Sophie, das Geheimnis zu verstehen und aufzulösen, den Krieg beizulegen und – wie nebenbei – ihre Jugend wieder zu erlangen, um mit Hauru in einem neuen, schöneren wandelnden Schloss glücklich zu werden.
Soweit der Plot von Das wandelnde Schloss, einem Anime-Film des Studios Ghibli von Hayao Miyazaki. Aufmerksamen Blogleserinnen mag dieser entfernt bekannt vorkommen. In der Tat entspricht er in wesentlichen Elementen demjenigen von Chihiros Reise ins Zauberland. Beide spielen an einem magischen, von Geistern und Mischwesen bevölkerten Ort, und in beiden ist es ein Mädchen oder eine junge Frau, die den Widrigkeiten, Animositäten und Kämpfen trotzt und durch Rückgrat und Integrität nicht nur ihre eigene, sondern auch die Befreiung anderer von bösem Zauber erreicht. Spielte Chihiro in einem von der japanischen Mythologie geprägtem Fantasieuniversum, so ist die Welt des wandelnden Schlosses uns Westlern durch ihre Anleihen beim Elsass und beim Ersten Weltkrieg weniger kryptisch. Beiden Filmen gemeinsam sind die Absenz von Schwarzweissmalerei, die Vielschichtigkeit der Figuren, das Katz-und-Maus-Spiel mit unseren Erwartungen und das visuelle Vergnügen, das die opulenten, unglaublich kreativen Bilder bereiten.
Technisches: Das wandelnde Schloss ist in verschiedenen Editionen auf DVD erhältlich. Die Vorlage, übrigens, ist das Kinderbuch Howl's Moving Castle von Diana Wynne Jones.
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