Aus dem abgelaufenen Jahr ist noch eine Premiere zu verzeichnen: mein erster Theaterbesuch im Nouveau Monde. Auf dieser Freiburger Bühne wird in der Regel Musik gespielt, die mir nicht besonders nahe geht oder steht, was erklärt, warum ich sie bislang nur dann besucht habe, wenn das Festival du conte oder das Belluard Bollwerk International zu Gast waren. Ein paar Mal jedoch schiebt Sylvain Maradan, der Intendant, einen Theaterabend in das Musikprogramm, und Anfang Dezember schien mir die Gelegenheit günstig. Affichiert war „A l’ouest de l’homme“ der Cie RDH, und versprochen gewissermassen eine genderwissenschaftliche Studie mit den Mitteln der Bühne: Fünf Frauen analysieren im Selbstversuch die Männlichkeit. Wie spricht ein Mann? Wie bewegt er sich? Wie reagiert er auf andere Männer? Und: Kann das eine Frau auch? Das Labor für diesen Versuch war der archetypische Ort, an dem ein Mann noch ein Mann ist (oder war), der Wilde Westen, und angesagt demnach ein Western, dieses unvergleichliche Konzentrat übersteigerter Männlichkeit mit entsprechender Bühnenausstattung: eine ganze Reihe von Saloon-Schwingtüren, davor eine zünftige Ladung Stroh, ein Wasserbecken, Whiskyflaschen und Schiesseisen aller Art; darüber tobten die Protagonistinnen in Stiefeln, Jeans, Hemd und Stetson.
Was ein ausgezeichneter Ansatz für eine umfassende Auslegeordnung hätte sein können, entpuppte sich leider als kunstloser Versuch, mit dem Dampfhammer Gelächter zu erzeugen. Denn alle Originalität, alle Finesse, alle Ironie, die diesem Stück hätten innewohnen können, wurden schlicht erschlagen von einer simplen Grobschlächtigkeit – vom Irrglauben, dass Lautstärke reicht, um lustig zu sein, und dass sich ein ganzer Abend mittels einiger Running Gags bestreiten lässt. Lässt er sich eben nicht: Wenn etwas dekonstruiert werden soll, dann reicht einmaliges Überspitzen. Die Lächerlichkeit einer aufgeblasenen Körperhaltung oder einer Mackergeste ist auf den ersten Blick ersichtlich, vor allem wenn sie von einer Frau gezeigt wird. Die Wiederholung macht den Witz nicht witziger, im Gegenteil, sie schwächt ihn ab und ermüdet die Zuschauer. Wie hatten wir hier doch mal analysiert? Man muss schon sehr gut sein, um mehr als einmal ins Publikum kotzen zu können.
Einsamer Pluspunkt des Abends war die Musik, dargebracht vom einzigen (genetischen) Mann auf der Bühne, dem Gitarristen Sven Pohlhammer, der den Part von Ennio Morricone übernahm. Auch das war überspitzte Essenz des Westerns – aber mit atemberaubender Meisterschaft dargeboten. Wer parodieren und ironisieren will, muss sein Handwerk verstehen. Für alle anderen gilt mit Goethe: Getretener Quark wird breit, nicht stark.
Technisches: Fairerweise muss ich anfügen, dass ich vielleicht auch ganz einfach den Humor nicht verstanden habe. Andere Zuschauerinnen kriegten sich gar nicht mehr ein vor Lachen. Spricht das jetzt gegen mich oder gegen das Freiburger Publikum?
A l’ouest de l’homme wurde letztes Jahr da und dort in der Westschweiz aufgeführt. Aktuelle Daten habe ich keine gefunden, auch nicht die Website der Cie RDH. Für etwas mehr Informationen verweise ich auf georgemag.ch.
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